Hauptbahnhof Karlsruhe – Ausgangspunkt für Deportationen

Führung durch den Karlsruher Hauptbahnhof – Deportationen der jüdischen Bevölkerung von Karlsruhe

Am 2.Juni 2025 unternahmen wir einen eindrucksvollen und gleichzeitig erschütternden Ausflug zum Karlsruher Hauptbahnhof. Ziel war es, mehr über die Deportationen jüdischer Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus zu erfahren – ein Teil der Geschichte, der sich direkt vor unserer Haustür abgespielt hat.

Wir trafen uns um 14:15 Uhr am Karlsruher Hauptbahnhof. Dort wurden wir von einer Leitungsperson von dem Verein „stattreisen“ Karlsruhe empfangen und zunächst zum alten Haupteingang geführt, der heute als Seiteneingang genutzt wird. Bereits hier wurde uns deutlich, dass dieser Ort eine besondere historische Bedeutung hat: Von genau diesem Eingang aus begann für viele jüdische Familien der Weg in die Deportation unter dem Vorwand, in den „Urlaub“ zu fahren.

Die Betroffenen wurden gezwungen, innerhalb weniger Stunden ihre Habseligkeiten zu packen. Ihnen wurde gesagt, sie müssten sich für eine Reise vorbereiten und sich zwei Stunden später an Gleis 1 einfinden. Der Aufenthalt dort sollte der Beginn einer sogenannten „Umsiedlung“ sein – tatsächlich handelte es sich um die systematische Deportation in Konzentrationslager.

An Gleis 1 hörten wir einen besonders bewegenden Tagebucheintrag eines jungen Mädchens. Sie beschreibt die letzten Minuten vor der Abfahrt des Zuges – eine Mischung aus Angst, Verzweiflung und Ungewissheit.

Besonders eindrücklich war auch die Geschichte des damaligen Gemeindevorstehers. Er wurde zunächst bei der Abfahrt „vergessen“, entschied sich jedoch freiwillig dazu, seiner Gemeinde zu folgen – weil er diese in dieser schweren Stunde nicht allein lassen wollte. Diese Tat zeigt eindrucksvoll seinen Mut und seine Verbundenheit.

Zunächst wurde den Menschen mitgeteilt, dass sie „in den Süden“ gebracht würden. Doch bald wurde klar, dass der Zug in Richtung Frankreich fuhr – das Ziel war das Internierungslager Gurs. Als den Menschen bewusst wurde, dass sie getäuscht worden waren, brach unter vielen Panik aus.

Es wurde uns berichtet, dass es eine öffentliche Durchsage am Bahnhof in Mülhausen (Frankreich) gegeben habe: Jeder, der mehr als 100 Reichsmark bei sich trug, würde erschossen werden. In ihrer Angst warfen viele Menschen ihr zusätzliches Geld aus den Zugfenstern und zerrissen es, um zu verhindern, dass es in die Hände der Wachen fiel.

Nach dem Aufenthalt am Gleis besuchten wir zwei Bunker unter dem Karlsruher Hauptbahnhof. Der erste Bunker war für die damaligen Bahnhofsangestellten vorgesehen. Der zweite wurde in bestimmten Zeiten sogar als Notunterkunft genutzt – zum Beispiel, wenn Hotels ausgebucht waren.

Im Inneren herrschte eine bedrückende Atmosphäre: kalter Steinboden, hohe Feuchtigkeit, einfache Toiletten und Lüftungsanlagen. Auch hier wurde uns ein Tagebuchauszug vorgelesen – erneut von einem Mädchen, das beschreibt, wie eng gedrängt die Menschen dort ausharrten und darauf warteten, in den nächsten Zug verfrachtet zu werden.

Dieser Ausflug war zutiefst berührend und hat uns einen realen Zugang zur Geschichte ermöglicht. Es ist kaum vorstellbar, dass sich solche menschenverachtenden Taten an einem Ort ereigneten, den wir heute als alltäglich wahrnehmen – mitten in unserer Stadt, mitten in Karlsruhe. Der Besuch des Bahnhofs als Erinnerungsort hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen – nicht nur in Büchern, sondern direkt an den historischen Schauplätzen. Nur so kann ein echtes Bewusstsein für Verantwortung, Menschlichkeit und Zivilcourage entstehen.

 Verfasst von Nora und Ida aus der 9a